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Kapitel 1 (g)
1.5 Eigenschaften freier Software
Die offensichtlichen primären und bereits erwähnten Eigenschaften, wie
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uneingeschränkte Nutzung
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frei und kostenlos erhältlicher Quelltext
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Modifizierbarkeit
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Kopier- und Weiterverbreitbarkeit
wirken sich auf weitere sekundäre, sich teilweise beeinflußende Faktoren aus, die freie Software kennzeichnen. Sie beschränken sich nicht allein auf die technischen Aspekte, sondern beziehen auch organisatorische und gesellschaftliche Merkmale ein.
1.5.1 Technik / Entwicklung
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Stabilität / Zuverlässigkeit / Sicherheit: Die Stabilität von freier Software ist einer ihrer größten Vorteile. Sie ist Folge der großen aktiven Benutzer- und Entwicklergemeinde, die testet, Fehler findet und behebt. Unternehmen, die auf Software hoher Kritikalität angewiesen sind, wie beispielsweise die NASA, nutzen (angepaßte) freie Software.
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Flexibilität / Anpaßbarkeit: Durch die Offenheit der Quellen kann jeder, der freie Software nutzt, diese nach seinen eigenen Wünschen anpassen. Anpassung heißt auch Spezialisierung. Freie Software läßt sich relativ einfach für bestimmte Einsatzgebiete spezialisieren. Zum Beispiel kann ein Linux-Rechner als Drucker-Server agieren und dabei von allen Komponenten befreit werden, die nicht für das Drucker-Serving benötigt werden.
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Integration / Adaptierbarkeit: Wenn freie Software nicht ausschließlich auf ein spezielles Einsatzgebiet fixiert ist - und das ist fast immer der Fall - bedient sie sich offener, dokumentierter Schnittstellen. Zusammen mit der durch freien Quelltext bedingten Transparenz läßt sie sich schnell in andere Umgebungen integrieren. Beispiel: Perl und Tcl/Tk werden fast immer im Zusammenspiel mit anderen, oft ebenfalls freien Softwarekomponenten genutzt.
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Benutzerfreundlichkeit: Viel freie Software wird nicht vom privaten Endanwender auf seinem PC genutzt, sondern als Programm auf Servern. Mit der deutlich spürbaren Unix-Herkunft wird oft eine nicht-grafische und (für einen Unix-Novizen) nicht-intuitive Benutzung verbunden. Diese rührt auch von der Gewöhnung an grafische fensterorientierte Benutzerführung anderer verbreiteter Betriebssysteme (Windows, MacOS) her. Im allgemeinen ist aber die Beobachtung richtig, daß es freier Software an einfacher Installation, Konfiguration und Benutzung mangelt. Freie Desktop-Software wie KDE, GNOME und ihre grafischen Applikationen für den Anwender zuhause versuchen, diese Mängel zu beheben.
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Wiederbenutzung von Programmteilen: Freie Software unterstützt das Wiederbenutzen von Programmteilen. Das Rad wird nicht neu erfunden, sondern in seiner vorhandenen und ausgereiften Form in andere Software eingebaut, woraus sich große Zeit- und Kostenersparnisse ergeben.
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Weitere Merkmale: Freie Software impliziert weitere Eigenschaften, die mehr oder weniger aus den oben genannten hervorgehen: Unterstützung vieler Plattformen (auch wenig bekannte), weite Verbreitung, gute Performanz, schnelle Entwicklungszyklen, Transparenz der Programmstruktur und der sich daraus ergebende Lerneffekt für den Programmierer, verminderter Ressourcenbedarf usw.
1.5.2 Organisation / Management / Planung
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Gewährleistung: In der Regel wird bei freier Software jegliche Gewährleistung in der Lizenz, mit der sie verbreitet wird, ausgeschlossen. Neben der Kontrolle geht also auch das Risiko auf den Anwender über. Er hat keine rechtliche Handhabe, um Schadenersatzforderungen geltend zu machen. Allerdings verankern auch Hersteller proprietärer Software Garantieeinschränkungen und Haftungsbeschränkungen in ihren Lizenzbedingungen.
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Support: Für viele großen Open-Source-Projekte (Linux, Apache) gibt es professionellen, kommerziellen Support. Dieser wird meist von einem mit der jeweiligen Software verbundenenen Unternehmen angeboten (z.B. Red Hat für Red Hat Linux, Sendmail Inc. für sendmail, Scriptics für Tcl/Tk). Andere freie Software (z.B. Perl, FreeBSD, KDE) wird wiederum nur informell unterstützt, d.h., daß Entwickler oder Benutzer im Internet kostenlos Hilfestellung anbieten oder Fragen beantworten ohne dafür in irgendeiner Form eine Garantie zu übernehmen.
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Organisation: Durch die oftmals weltweite Entwicklergemeinde steigt der Organisationsbedarf an. Neben technischen Fragen müssen auch juristische, strategische und finanzielle Probleme gelöst werden. Besonders letztere hemmen oft den weiteren Werdegang freier Software.
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Kosten: Die Entwicklungskosten bei freier Software sind verhältnismäßig gering, weil sie zu einem Großteil von oft unentgeltlich in der Freizeit arbeitenden Programmierern geschrieben wird. Die Koordination, Organisation und das Management hingegen verursachen Kosten, die durch Sponsoren, Bezuschussungen, Spenden und Fördergelder gedeckt werden müssen.
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Marketing / Werbung: Marketing, wie man es von großen Softwareunternehmen kennt, hat freie Software nicht. Es sei denn, diese wurde von der Industrie adaptiert, die nun damit wirbt. Das Internet und schlichte Mundpropaganda sind die eigentlichen Marketingwerkzeuge. Die erfolgreiche Etablierung des Begriffs Open Source und die damit verbundene Öffentlichkeitsarbeit und Presse ist das Werbematerial.
1.5.3 Gesellschaft / Ökonomie / Politik
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Kontrolle: Letztendlich liegt die Kontrolle über freie Software beim Anwender. Er kann bestimmen, wie, wo und unter welchen Umständen sie eingesetzt wird.
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Kooperative Gemeinden: Zu jeder freien Software gehört eine Entwickler- und Benutzergemeinde. Ihr über Landesgrenzen hinausgehender Zusammenhalt wird durch die Arbeit an einem gemeinsamen Ziel, die Lösung eines gemeinsamen Problems gestärkt.
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Glaubwürdigkeit / Anerkennung: Da freie Software oft nicht durch ein wirtschaftlich gefestigtes Unternehmen, sondern durch eine locker strukturierte non-profit-Organisation repräsentiert wird, war ihre Anerkennung und ihr Bekanntheitsgrad zumindest zu Beginn in der Industrie relativ gering. Die Open-Source-Kampagne, die auf den Einsatz von freier Software in der Industrie abzielt und der Erfolg von Linux in Unternehmen, merzen dieses Defizit aus. Mittlerweile ist freie Software anerkannter als viele proprietäre Software. Anerkennung in der Open-Source-Gemeinde und darüber hinaus ist ein angestrebtes Ziel der Programmierer.
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