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Kapitel 2 (b)

2.2 Open Source Initiative (OSI)

Richard Stallmans Pionierarbeit, die Schaffung einer neuen freien Software-Bewegung, muß in jedem Fall gewürdigt werden. Doch hat er mit seiner radikalen Einstellung und seinen zynischen, oft auch beleidigenden Bemerkungen gegenüber Herstellern Mißgunst in der Softwareindustrie hervorgerufen. Lange Zeit wurde dort der Begriff "freie Software" nur mit Fanatismus und Anti-Kommerzialismus assoziiert.

Einige kreative Köpfe aus dem Hacker-Kreis, allen voran Eric Raymond, sahen sich in der Lage, diese zwei scheinbar so gegensätzlichen Parteien zueinanderzuführen. Raymond hatte zuvor in seinen Essays einige interessante Dinge zur freien Software analysiert. Sein wohl wichtigstes Dokument ist The Cathedral and the Bazaar [13], in dem er die Vorzüge eines offenen, freien Softwareentwicklungsmodells (den Basar) beschreibt und sie dem geschlossenen Modell (der Kathedrale), wie es üblicherweise in der Softwareindustrie angewendet wird, gegenüberstellt. Doch erst 1997 entwickelte sich daraus die Idee des "Open Source".

Zu dieser Zeit geriet der Softwarehersteller Netscape wegen Microsofts aggressiver Marketingpolitik seitens der Internet-Software zunehmend unter Druck. Netscapes Manager waren von Raymonds Analyse der freien Software und seiner Möglichkeiten in The Cathedral and the Bazaar so beeindruckt, daß sie ihn kontaktierten und baten, eine Strategie auszuarbeiten, Netscapes Browser Navigator/Communicator zu freier Software zu machen.

Bruce Perens, Leiter des Debian-Projekts (ein Linux-Distributor), war gerade damit beschäftigt, für die Debians GNU/Linux-Distribution einige Software-Richtlinien zu verfassen. Das war nicht einfach, denn Debian hatte sich freie Software auf die Fahnen geschrieben, aber die dazugehörigen, zahlreichen, inhaltlich leicht variierenden Lizenzen erschwerten eine exakte Definition von freier Software. Im Austausch mit Entwicklern gelang es ihm aber, die Debian Free Software Guidelines [14] aufzustellen.

Im Februar 1997 teilte Raymond auf der Palo Alto Hacker's Convention Perens und anderen Interessierten seine Idee mit, ein Konzept für freie Software zu erarbeiten, das sowohl die Bedürfnisse der Industrie als auch der Hacker-Gemeinde erfüllen konnte. Perens hatte mit seinen Free Software Guidelines bereits Vorarbeit geleistet. Sie wurden ein wenig verallgemeinert und von den debian-spezifischen Teilen befreit. Man entschied, den zweideutigen Begriff "free software" durch "Open Source" zu ersetzen. Die Open Source Definition war geboren.

Die Organisation, die die Aktivitäten rund um Open Source koordiniert, ist die Open Source Initiative (OSI) mit Eric Raymond als Präsidenten. Entscheidungen in der OSI fällt der Aufsichtsrat aus derzeit sechs Mitgliedern.

Es ist festzuhalten, daß in dieser Definitionsphase viele Entwickler und Manager aus der IT-Wirtschaft am Konzept von Open Source mitgearbeitet hatten. Um eine rechtliche Untermauerung zu erwirken, sollte der Begriff "Open Source" als Warenzeichen eingetragen werden. Da sich aber beschreibende Ausdrücke nicht schützen lassen, ersann man ein Zertifikat (The OSI Certification Mark), das von nun an Open-Source-Software als solche auswies. Hinter all dem steckt eine feste, wirtschaftliche Absicht, eine regelrechte Marketingkampagne, wenn auch mit kleinem Budget.

"The real conceptual breakthrough, though, was admitting to ourselves that what we needed to mount was in effect a marketing campaign - and that it would require marketing techniques (spin, image-building, and re-branding) to make it work." - Eric Raymond, Open Source Initiative

Schon bald unterzogen sich Produkte von namhaften Softwareherstellern, darunter IBM, SGI, Netscape und Apple, dem Zertifizierungs-Programm oder entwickelten eine Lizenz, die der Open Source Definition genügte.

Die Presse überschlug sich förmlich. Linus Torvalds, ein weiterer Open-Source-Formgeber, war die meiste Zeit damit beschäftigt, Interviews zu geben und erschien sogar auf der Titelseite des Forbes Magazine. Netscape veröffentlichte nun seinen Browser unter der Netscape Public Licence (NPL). Corel kündigte an, Word Perfect auf Linux zu portieren. IBM und Informix entwickelten Linux-Versionen ihrer Datenbanken. Sun gab die Quellen seiner Unix-Version Solaris für Intel-PCs frei. Troll Techs Funktionsbibliothek zur Entwicklung grafischer Anwendungen (Qt), die im KDE-Projekt Verwendung findet, wurde auf Druck der Open-Source-Gemeinde unter eine Open-Source-Lizenz gestellt.

Microsofts Reaktion auf Open Source wurde in den Halloween-Dokumenten1 [15] deutlich. Steve Ballmer, Mitbegründer Microsofts, erklärte öffentlich seine Besorgnis wegen des Erfolgs von Linux und Apache. Bezüglich des Kartellprozesses münzte man die Situation aber wieder in einen Vorteil um: Linux zeige, daß Microsoft keine beherrschende Position auf dem Betriebssystem-Markt habe.

Innerhalb von nur zwei Jahren hat Open Source und sein Zugpferd Linux die IT-Branche auf den Kopf gestellt. Die verwirrend vielen Lizenzen bei freier Software haben nun einen gemeinsamen Nenner in der Open Source Definition gefunden. Die Industrie und die Hacker-Gemeinde scheinen sich näher zu kommen. Die Verfechter der freien Software erster Stunde um Richard Stallman befürworten zwar die Idee, die hinter Open Source steckt, sehen aber die Philosophie der freien Software vernachlässigt. Die OSI gibt offen zu, daß sie keine Meinung hinsichtlich dieser und anderer ähnlicher Fragen hat (beispielsweise Software-Patente, geistiges Eigentum etc.). Sie ist dafür da, ein offenes Entwicklungsmodell zu etablieren, das hervorragende, stabile Software in kurzer Zeit hervorbringt.


1 Die Halloween-Dokumente sind interne Memoranden von Microsoft, die sich intensiv mit freier Software beschäftigen und mögliche, marketingtechnische Gegenmaßnahmen diskutieren. Sie wurden Anfang November 1998 aus dem Unternehmen geschleust und Eric Raymond zugespielt. Microsoft bestätigte später die Echtheit der Papiere, bewertete sie aber als relativ unwichtige Technologiestudien.


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