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Kapitel 2 (f)
2.6 O'Reilly
O'Reilly ist ein erfolgreicher Computerbuch-Verlag, dessen Ambitionen aber weit über das verlags- und vertriebstechnische Tätigkeitsfeld hinausgehen. Als ein Wegbereiter der Open-Source-Gemeinschaft - und dafür tritt Chef Tim O'Reilly persönlich ein - ist O'Reilly ein Verlag, der sich stark praxisorientiert und weniger theoretisch-akademisch an den Wünschen seiner Kunden orientiert.
Zwar war technische Dokumentation zu Open-Source-Software vorhanden, doch proportional zu deren Verbreitung entwickelte sich auch die Nachfrage nach einfacher und verständlicher Literatur für den "normalsterblichen" Anwender.
Die Geschichte des Verlags begann 1978, als Tim O'Reilly die Firma O'Reilly & Associates gründete, die als technische Redaktion für Unternehmen aus der Industrie fungierte. Nach zehn Jahren gelang es nicht mehr, ausschließlich von dieser Tätigkeit zu profitieren, und man behalf sich mit dem Verkauf dieser technischen Handbücher - dessen Urheberrechte man sich sicherte - auf Messen, Kongressen und Konferenzen. Als ihnen auf einer Konferenz am MIT Exemplare ihres Buches über das X-Window System binnen kürzester Zeit ausgingen, erkannte man die enorme Relevanz des Verlagswesens in der Computerbranche.
Durch die weiterhin bestehende Nähe zur Industrie - viele Autoren werden von dort rekrutiert - kann O'Reilly praxistaugliche sinnvolle und - im IT-Business enorm wichtig - aktuelle Bücher verlegen. Die Philosophie von O'Reilly ist es, ein Buch zu einem Thema in angemessener Länge herauszubringen, ohne den Anspruch zu erheben, vorhandene Dokumentation zu ersetzen. Es soll technische Probleme lösen, aber dabei den an sich trockenen Stoff humorvoll behandeln, so daß es sich wie ein Roman lesen läßt.
Neben Pionierwerken wie The Whole Internet User's Guide & Catalog, 1992 eines der ersten Internet-Bücher überhaupt, war O'Reilly auch beim Publizieren von Online-Inhalten einer der ersten. Der Global Network Navigator (GNN) war zu dieser Zeit das maßgebende Online-Magazin. So weiteten sich die Aufgaben des Verlags auch auf das Internet und auf die Entwicklung von Web-Software für Online-Publishing aus.
Seit Ende 1993 sind O'Reilly-Bücher auch in Deutschland zu bekommen. Zuerst über ein Joint-Venture mit anderen Verlagen, später auch über den selbständigen deutschen Verlag O'Reilly Deutschland mit Räumlichkeiten in Köln. Mittlerweile sind neben den deutschen Übersetzungen amerikanischer Werke auch deutsche Originale erhältlich.
Das Engagement von O'Reilly in Bezug auf freie Software wird deutlich, wenn man die enorme Anzahl der Bücher betrachtet, die sich damit auseinandersetzen. Ihr Verkauf macht die Hälfte des Gesamtgewinns aus. Mit Larry Wall, dem Erfinder von Perl, Apache-Schöpfer Brian Behlendorf und Matthias Kalle Dalheimer, einem der Chef-Programmierer des KDE-Projekts, hat man drei bedeutende Aushängeschilder der freien Software-Gemeinde für sich gewinnen können.
"The Open Source developement paradigm is an incredibly efficient way of getting developers to work on features that matter. New software is developed in a tight feedback loop with customer demand, without distortions caused by marketing clout or top-down purchasing decisions." - Tim O'Reilly, O'Reilly & Associates
Fast genauso wichtig wie diese Bücher sind aber die anderen Aktivitäten auf diesem Sektor. Seit Anfang 1998 veranstaltet O'Reilly Konferenzen zu den wichtigsten Open-Source-Entwicklungen Linux, Perl, Apache etc. Auch eine allgemeiner gehaltene Open-Source-Konferenz befindet sich darunter, die weniger die technischen Aspekte als vielmehr gesellschaftliche und wirtschaftliche Einflüsse aufzeigt. Hier werden Vorträge zur Finanzierung von Open-Source-Firmen und -Projekten und deren Management von namhaften Größen der Szene gehalten.
Einen weiteren Höhepunkt stellt die Gründung von sourceXchange dar. Dort entsteht ein Marktplatz, auf dem die softwaretechnischen Bedürfnisse von Unternehmen direkt auf Entwickler der Open-Source-Gemeinde treffen. Durch Sponsoren kann die Bezahlung von qualifizierten Programmierern sichergestellt werden, die ihre Zeit in Projekte investieren, die von Unternehmen über sourceXchange initiiert wurden. Hewlett-Packard als Sponsor und über 1500 Entwickler haben sich bereits registrieren lassen.
O'Reillys Markenzeichen ist die Fauna. Das Cover fast jeden Buches ist mit einem Tier geschmückt. Diese Bindung ist manchmal so stark, daß man in Insiderkreisen nur noch vom Kamel- (Programmieren mit Perl, Larry Wall) oder Fledermaus-Buch (sendmail, Bryan Costales & Eric Allman) spricht.
O'Reillys Arbeit als angesehener, erfahrener Verleger von IT-Büchern und Veranstalter von Open-Source-Konferenzen hat einen wichtigen Effekt: Die Informations- und Wissensvermittlung füllt Lücken zwischen Open-Source-Gemeinde und Wirtschaft, zwischen Entwickler und Anwender und fördert sogar die Softwareentwicklung selbst. Bestes Beispiel dafür ist das sendmail-Buch von Bryan Costales (dem primären Buchautor) und Eric Allman (dem Programmierer von sendmail): Costales beeinflußte durch ständiges Nachfragen, Anmerkungen und Vorschläge die Entwicklungsarbeit von Allman so stark, daß dieser nicht unerhebliche Änderungen an sendmail vornahm. So entsteht nicht nur ein besseres Buch, sondern auch eine bessere Software.
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