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Kapitel 4 (d)

4.2.6 Weitere Lizenzen

Die hier beschriebenen Lizenzen genügen alle mit Ausnahme der NPL der Open Source Definition, sind aber nur ein Ausschnitt aus dem Reich der freien Software. Die Wichtigkeit einer Lizenz als juristisches Fundament ist bei freier Software genauso groß wie in der proprietären Softwareentwicklung. Als Beispiele seien folgende Ereignisse erwähnt:

Mit der steigenden Popularität der grafischen Benutzeroberfläche KDE wurde schnell bekannt, daß diese sich einer grafischen Funktionsbibliothek Qt der norwegischen Firma Troll Tech bediente, die nicht vollständig frei war. Der Boykott eines nicht unerheblichen Teils der Linux-Gemeinde und die dadurch zunehmende Gunst des konkurrierenden Desktops GNOME führte dazu, daß eine vollständig neue, freie Software-Lizenz für Qt, die Q Public Licence (QPL), entworfen wurde.

Das X Consortium, nun die Open Group, plante Mitte 1998 mit der Version X11R6.4 ihres X-Window-Systems neue, restriktivere Lizenzbedingungen einzuführen, was aber durch den Druck der öffentlich agierenden und mittlerweile scheinbar durchaus einflußreichen Open-Source-Szene vereitelt wurde.

IBM versucht, die aufkeimende industriell-kommerzielle Seite von Open Source in einer Lizenz festzuhalten. Der Verkauf von freier Software soll hier dazu dienen, dem Kunden einen Mehrwert in Form einer Gewährleistung zu bieten. Apple und Sun haben ebenfalls neue Lizenzen entwickelt, die allerdings (noch) nicht voll und ganz den Bedingungen der Open Source Definiton genügen.

4.3 Ein kritischer Blick

Lizenzen sind zentraler und leider auch komplizierter Bestandteil in der Welt von Open Source. Unternehmer, Anwälte und Hacker aus der Szene versuchen durch die Entwicklung eigener Lizenzen ihre Interessen durchzusetzen. Letztendlich sind sie doch nur der formale Ausdruck für ihr persönliches Verständnis von guter, gerechter oder vernünftiger Software. Und dieses Verständnis ist auch innerhalb der freien Software-Gemeinde durchaus unterschiedlich. So steht Richard Stallmans ideologische Einstellung von vollkommener Freiheit der Software und Antipathie bezüglich Software-Patenten und Schutz geistigen Eigentums moderateren Meinungen gegenüber, die mehr um Qualität und Industrietauglichkeit besorgt sind [32].

Diese und andere Probleme schlagen sich in den Lizenzen nieder. Schlupflöcher und Inkompatibilitäten untereinander können zu gefährlichen Situationen führen. Unsicherheiten in der Industrie, vorhandene Lizenen zu adaptieren und stattdessen neue zu entwerfen, lassen den Lizenz-Dschungel wachsen. Womöglich wird sich auch die Gemeinde in mehrere Lager aufsplitten, die jeweils für "ihre" Lizenz werben.

Die Open Source Definition hat versucht, einen Konsens zu finden und ist auch auf einem guten Wege dahin. Aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Die Kluft zwischen der Hacker-Kultur und der Industrie ist einfach noch zu groß. Ohne Garantie und Gewährleistung tun sich IT-Verantwortliche verständlicherweise schwer, freie Software in ihrem Unternehmen einzuführen, obwohl sie sich in den meisten Fällen als stabiler im Verhältnis zu proprietärer Software erweist. Aber hinter den großen Herstellern letzterer steht ein guter, seriöser Ruf. Ob sich dieser Ruf als berechtigt erweist, sollte jeder für sich entscheiden.

"If free software authors lose the right to disclaim all warranties and find themselves getting sued over the performance of the programs that they've written, they'll stop contributing free software to the world. It's our advantage as users to help the author protect this right." - Bruce Perens

Eine Gewährleistung für funktionierende Software kann die Hacker-Gemeinde schon allein aus organisatorischen Gründen nicht übernehmen, denn in Furcht vor Schadenersatzforderungen oder anderen gerichtlichen Klagen würden sie ihre Arbeit an freier Software einstellen.

Will ein Unternehmen oder eine Privatperson Geld mit dem Verkauf und vor allem dem Gebrauch einer Software machen, so wird es kaum möglich sein, sie unter eine Open-Source-Lizenz zu stellen. Aber schon bei kleineren Kompromissen lassen sich die liberaleren Lizenzen wie die der BSD-Familie anwenden. Soll eine Software in ihrer gesamten Lebenszeit mit all ihren Änderungen und Erweiterungen frei bleiben und niemals proprietär werden, so ist die GPL die richtige.

Ein weiteres Lizenzmodell offenbart sich in A-fair, das auf einer Weiterentwicklung der GPL und diverser Shareware-Lizenzen beruht. Wie der Name schon vermuten läßt, basiert es auf Fairness. Darunter fällt beispielsweise eine Vergütung für den Autor, dessen Höhe der Nutzer selbst bestimmt, eine Offenlegung der Verwendung mit ausgezahltem Anteil für den Autor, wenn das A-Fair-Material kommerziell genutzt wird usw. Allerdings scheint doch die Durchsetzung einer solchen Lizenz mehr als fraglich zu sein.


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