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Kapitel 3 (k)

3.11 Tcl / Tk

John Ousterhout dozierte in den frühen 80er Jahren als Professor an der Universität von Berkeley in Kalifornien. Er arbeitete zusammen mit seinen Studenten an und mit Werkzeugen zum interaktiven Design von Schaltkreisen. Da die grafische Benutzerführung damals noch nicht existierte, mußte man die Tools mit Hilfe von Kommandosprachen bedienen, für jedes eine eigene.

Im Laufe der nächsten Jahre reifte die Idee, eine integrierbare, anwendungsübergreifende Kommandosprache zu entwickeln, die grundlegende Mechanismen einer Programmiersprache wie Variablen, Kontrollstrukturen und Prozeduren enthielt: die Tool Command Language (Tcl). Eine Anwendung, die durch dieser Sprache gesteuert wird, sollte ihre eigenen Features als sogennante Extensions zu Tcl hinzufügen können.

Als Ende der 80er die grafischen Benutzeroberflächen immer populärer wurden, entschied er sich, diese in seine Sprache in irgendeiner Weise einzubauen. Es stellte sich heraus, daß Ousterhouts Konzept der Extensions auch hierfür geeignet war und mit viel weniger Aufwand als bei der in der Industrie üblichen, grafischen Applikationsentwicklung auskam. Das Ergebnis seiner Bemühungen hieß Tk.

1990 begann der gebürtige Niederländer seine Software an andere interessierte Entwickler, hauptsächlich aus dem universitären Bereich, zu verteilen und hielt einige Vorträge. Auf der USENIX-Konferenz begegnete er Don Libes vom National Institute of Standards and Technology, der in Tcl/Tk genau das fand, was er suchte. Die erste in dieser Sprache geschriebene Anwendung Expert war in Administratorkreisen ein voller Erfolg. Als dann ein Jahr darauf das erste Release von Tcl/Tk im Internet veröffentlicht wurde, war der weltweite Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Die Tcl/Tk-Gemeinde wuchs von ein paar Entwicklern 1989 zu mehreren Zehntausend 1993. Diese tauschten ihre Interessen in Newsgroups und Mailing-Listen aus, gründeten User-Groups und hielten Workshops ab. Heute arbeiten schätzungsweise eine Million Menschen mit Tcl/Tk.

Nachdem Ousterhout 1994 zu Sun in die Industrie ging, leitete er dort eine Projektgruppe, die sich mit seiner Programmiersprache befassen sollte. Die Mitglieder leisteten gute Arbeit sie als universelle Skriptsprache - auch für das Internet - weiterzuentwickeln. Desweiteren portierten sie sie nach Windows und Mac. Bedenken, Sun würde Tcl/Tk nun für sich in Anspruch nehmen und zu einer proprietären Software machen, waren unberechtigt. Es blieb weiterhin ein Open-Source-Projekt.

Mit der steigenden Nachfrage nach integrierten IT-Lösungen und zunehmender technischer Vielfalt im Bereich der Softwareentwicklung erkannte Ousterhout das ungeheure Potential seiner Entwicklung. Er gründete 1998 die Firma Scriptics, die sich voll und ganz der Entwicklung, Evaluierung und Vermarktung von Tcl/Tk verschrieb, dessen Kern aber weiterhin frei bleiben sollte. Dieser historische Verlauf läßt sich mit dem von sendmail vergleichen.

Scriptics, mit mittlerweile 50 Angestellten, brachte im September 1998 die kommerzielle grafische Entwicklungsumgebung TclPro und im April 1999 ihr erstes Open-Source-Produkt Tcl/Tk Version 8.1 mit Unicode-Unterstützung, Multi-Threading-Fähigkeit, einem verbesserten Paket für reguläre Ausdrücke und weiteren Boni heraus.

"Successful open source packages need accompanying commercial efforts to ensure their mainstream adoption." - John Ousterhout, Scriptics

Seit Jahren loben Programmierer die einfache und schnelle Entwicklung von systemübergreifenden Anwendungen mit Tcl/Tk. Tk bietet auf jeder Plattform die gleichen Objekte, benutzt es doch zu deren Darstellung das zugrundeliegende Grafiksystem, weshalb ein und dieselbe Anwendung auf Windows aussieht wie eine Windows-Anwendung und auf dem Mac wie eine Mac-Anwendung. Die unzähligen Extensions von fleißigen Programmierern, die als freie Software im Internet zu bekommen sind, ermöglichen das Zusammenspiel von verschiedensten Anwendungen, Komponenten, Datenbanken und Datenformaten. Um nur ein paar zu nennen: incr TcL für objektorientierte Programmierung innerhalb Tcl/Tk, SybTcl und OraTcl für den Datenbankzugriff, TclDP für die Netzwerkprogrammierung. Die Integration all dieser Komponenten ist Voraussetzung für die heißesten Trends der nächsten Jahre: Online Information Management, Component Frameworks, Netzwerkmanagement, Fernadministration von Netzwerkgeräten.

Tcl/Tk wird in vielen Firmen eingesetzt:

Die Industrie schuldet John Ousterhout genauso Dank wie er der Open-Source-Gemeinde. Denn die hat, wie er selber sagt, einen großen Dienst geleistet. Sie hat Support in Newsgroups gegeben, Bugs gemeldet und beseitigt, Schwächen aufgezeigt, Verbesserungsvorschläge gemacht und Erweiterungen geschrieben. Ousterhout legt viel Wert darauf, daß das so bleibt. Er und seine Vorstandsmitglieder von Scriptics diskutieren verschiedene Wege, diese Leute näher einzubinden und ihre Zusammenarbeit zu erleichtern.


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