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Kapitel 4 (a)

Urheberrecht und Lizenzen

Dieses Kapitel vermittelt einen Überblick über das Wesen des Urheberrechts und seine Auswirkung in den Lizenzbedingungen von Software. Neben dem grundsätzlichen Unterschied zwischen den Lizenzen freier und proprietärer Software werden auch die feineren Differenzen zwischen einzelnen Lizenzen freier Software erläutert.

4.1 Copyright, Copyleft, Copycenter

Ein entscheidender Aspekt von freier Software betrifft das Copyright, das Urheberrecht. Der eigentliche Sinn des Copyrights, das geistige Eigentum einer oder mehrerer Personen, den Urhebern, zu schützen, geht nicht mit dem gedanklichen Kern freier Software konform, denn sie lebt ja gerade von uneingeschränkter Nutzung, Modifizierung und Weiterverbreitung, also der bewußten Verletzung des typischen Urheberrechts. Software ist im Gegensatz zu einem Roman oder einer Musik-CD ständig veränderungs-, anpassungs- und erweiterungsbedürftig. Ist die Einschränkung dieser essentiellen Bedürfnisse noch mit dem Schutz des geistigen Eigentums der Autoren zu rechtfertigen?

Das Urheberrecht stammt aus der Zeit, als der Buchdruck es jedem ermöglichte, Informationen nicht nur mündlich zu verbreiten, sondern auf Papier gedruckt, in Büchern und Zeitungen zu veröffentlichen. Heute wird es nicht nur im Verlagswesen, sondern auch in der Musik-, Kunst-, und Softwarebranche angewendet. Der Autor, der sein Werk urheberrechtlich schützen läßt1, besitzt die exklusiven Rechte, es weiterzuverbreiten, zu verkaufen, oder sonst etwas damit zu tun. Da aber im allgemeinen der Wunsch besteht, die Arbeit zu veröffentlichen, muß er zumindest das Recht der (möglicherweise eingeschränkten) Nutzung an die Öffentlichkeit weitergeben. Das Urheberrecht regelt also die Verbindung zwischen dem Autoren bzw. demjenigen, der das Werk veröffentlicht, und der Allgemeinheit.

Werden Teile des vereinbarten Copyrights verletzt, können Geld- oder Freiheitsstrafen verhängt werden. Lange Zeit wurden aber solche Zuwiderhandlungen nur unschwer geahndet oder kamen nur selten vor, denn das Kopieren und Weiterverbreiten des geschützten Eigentums, den naheliegensten Verletzungen des Urheberrechts, ließen sich nur mit großem Aufwand und/oder Qualitätsverlust bewerkstelligen. Die Fotokopie eines Buches oder die Aufnahme von Musik auf Kassette waren immer schlechter als das Original.

Mit dem Einzug des digitalen Zeitalters und des Internet ist die Vervielfältigung und das Verbreiten von Bild, Ton und Software nur mit marginalen Kosten verbunden. Zudem gleicht die Kopie dem Original wie ein Ei dem anderen. Insbesondere die Software- und neuerdings auch die Musikindustrie sehen ihre Existenz gefährdet und verlangen vom Gesetzgeber besseren Schutz und höhere Strafen. Es wird über eine grundlegende Änderung des Urheberrechts nachgedacht, die speziell auf Software und das Internet-Publishing abzielen.

Die freie Software-Bewegung um Richard Stallman schuf Mitte der 80er Jahre einen Begriff, der freie Software charakterisieren sollte: das Copyleft. Statt das ausschließliche Recht beim Autoren bzw. im Falle der proprietären Software beim Hersteller zu belassen, geht es auf die Benutzergemeinde über, zu der potentiell jeder gehören kann. Copyleft stellt die Freiheit einer Software sicher. Einschränkungen dieser Freiheit, also beispielsweise das "Verstecken" von copyleft-unterliegendem Quelltext in proprietären, nicht-freien Programmen werden durch spezielle Lizenzbedingungen, wie sie in der GNU General Public Licence vorzufinden sind, ausgeschlossen. Inwieweit sich solche Vergehen verhindern, nachweisen oder bestrafen lassen, kann nur vermutet werden. Bis zum heutigen Tage sind jedenfalls keine Verstösse gegen die GPL oder andere freie Softwarelizenzen bekannt geworden.

"But we are not excluding developers of proprietary software from our community; they are choosing not to enter." - Richard Stallman

Je zwingender und restriktiver also ein Softwarehersteller oder Autor das Copyright seines Produkts formuliert, desto mehr Kontrolle hat er darüber. Je lockerer er es handhabt, bzw. je mehr er es an die Allgemeinheit abgibt, desto mehr liegt die Kontrolle (und auch das Risiko) beim Anwender. Im Falle der freien Software sind aber Hersteller und Anwender keine voneinander getrennte Parteien, sondern fast immer kooperierende Gemeinden.

Mit dem kommerziellen Erfolg freier Software hat die Akzeptanz in der Softwareindustrie zugenommen. Sie versucht nun das Modell der freien Softwareentwicklung zu adaptieren. Ergebnis sind Programme, die teilweise vollkommen frei sind, oder aber auch Software, in deren Lizenzbedingungen der Vorbehalt weiterer Rechte speziell für das jeweilige Unternehmen verankert ist (Beispiel: Netscape Public Licence).


1 In den meisten Ländern muß er das gar nicht explizit tun; es geschieht automatisch mit der Vollendung der Arbeit.


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