Start | Inhalt | Weiter | Zurück |
Kapitel 4 (b)
4.2 Lizenzen
Laut Duden ist eine Lizenz die Erlaubnis/Genehmigung zur Nutzung eines Patents oder zur Herausgabe einer Zeitung, Zeitschrift bzw. eines Buches. Eine Softwarelizenz übergibt dem Anwender bestimmte Rechte (und Verpflichtungen), die mit dem Besitz und der Benutzung der Software zusammenhängen. Mit Erhalt/Öffnen der Packung und der Installation/dem Gebrauch erklärt der Lizenznehmer sein Einverständnis mit den Bedingungen.
Diese Beschreibung trifft sowohl für proprietäre als auch für freie Software zu, denn Lizenzbedingungen gibt es bei beiden. Bloß die Art und Weise wie diese Bedingungen die Freiheit, die Kontrolle, die Rechte und die Risiken des Nutzers beinflussen, ist höchst unterschiedlich. Lizenzen proprietärer Software sind hinsichtlich des Verbots der Vervielfältigung, der Änderung, der Ausleihe etc. auch von Hersteller zu Hersteller fast identisch. Auf dem Gebiet der freien Software hingegen gibt es teilweise recht gravierende Unterschiede. Mal müssen die Modifikationen der Software frei sein, mal nicht; dann müssen spezielle Copyright-Notizen hinzugefügt werden, oder die Software darf nicht kommerziell verwendet werden. Diese nicht unmittelbar beim Lesen der Lizenz ins Auge springenden Konditionen entscheiden, ob eine Software vollkommen, fast oder nur teilweise frei ist. Gemein ist allen Lizenzen aber, daß sie aufgrund der kostenlosen Weitergabe von Software jeglicher Gewährleistung entbehren [30].
"To stay free, software must be copyrighted and licensed." - Software for Public Interest
Zwar hat die Open Source Initiative mit der Open Source Definition viel zur Klärung dieser Verwirrungen beigetragen, doch ist immer noch - insbesondere in Unternehmen - eine gewisse Unsicherheit festzustellen. Statt sich für eine der vorhandenen Lizenzen zu entscheiden, suchen sie des öfteren die Mithilfe der OSI auf, um eine neue, eigens für sie angepaßte Lizenz zu entwerfen.
Das Bündeln von Software zu Distributionen wirft ein weiteres Problem auf. Sind die Lizenzen der zusammengefaßten Programme miteinander kompatibel oder schließen sie sich gegenseitig aus? Die nun folgende Vorstellung von Lizenzen freier Software soll diese und andere Fragen beantworten.
4.2.1 GPL
Die GNU General Public Licence ist die wohl bekannteste und am meisten angewendete Lizenz in der Welt der freien Software1. Sie wurde von Richard Stallman im Zuge des GNU-Projektes aufgestellt, um die Freiheit der ihr unterliegenden Software zu garantieren. Prominente Beispiele von GPL-Software sind der Linux-Kernel und die beiden grafischen Benutzeroberflächen KDE und GNOME.
Die GPL wird auch als Copyleft bezeichnet, weil sie die Kernaussagen des Copyright auf den Kopf stellt. Der Quelltext muß immer frei verfügbar sein. Wird er nicht der Software beigelegt, so muß er leicht anderswo zu beschaffen sein. Das bedeutendste Merkmal ist aber, daß Programme, die Teile von GPL-Software enthalten, als abgeleitete Werke betrachtet werden und wiederum der GPL unterliegen und somit frei sein müssen, egal unter welcher Lizenz sie vorher standen. Auch wenn diese Codefragmente noch so klein und unauffällig sind wie zum Beispiel eine statisch hinzugelinkte GPL-Bibliothek. Diese "assimilierende" Eigenschaft verhalf der GPL zu dem Spitznamen GNU Public Virus.
Die Kopplung von GPL-Software mit nicht-freier, proprietärer Software kann also wiederum nur zu freier GPL-Software führen, was selten im Interesse der Softwarehersteller ist. Selbst wenn ein Unternehmen seine proprietäre Software in freie Software umwandeln möchte - wie es im Falle Netscapes geschehen ist -. so stellt sich die GPL als unbrauchbar heraus, denn sehr oft enthält die jeweilige Software Technologien Dritter, die nicht frei werden sollen.
Werden Änderungen vorgenommen, so müssen diese deutlich mit Kommentar und Datum gekennzeichnet werden. Wird die Software weiterverbreitet, dürfen keine einschränkenden Lizenzbedingungen hinzugefügt werden. Abgesehen von einer kleinen Einschränkung, nämlich dann, wenn der Quellcode nicht den Binärdateien des Programmes beiliegt, kann ein beliebig hoher Preis für den Verkauf von GPL-Software verlangt werden. Natürlich wird kaum jemand für eine Software 500 Euro bezahlen, wenn sie kostenlos im Internet erhältlich ist.
Zum Schutz des Entwicklers besagt die Lizenz, wie alle anderen Open-Source-Lizenzen auch, daß in keiner Weise eine Gewährleistung oder Garantie besteht. Haftungsausschluß ist Folge der Freiheit einer Software. Das heißt jedoch nicht, daß es Einzelpersonen oder Unternehmen verboten ist, gegen Entgeld eine Gewährleistung oder Garantie anzubieten.
Es ist nicht zu übersehen, daß die GPL über das Wesen einer reinen Softwarelizenz hinausgeht. Sie wird vom politischen Gedanken der Free Software Foundation begleitet, freie Software zu fördern und ihre Ideologie aufrechtzuerhalten. In ihrer Komplexität, der sprachlichen Exaktheit und Länge ist die GPL, die im Beisein von mehreren Anwälten und Notaren verfaßt wurde, den meisten anderen Lizenzen überlegen. Programmierer bevorzugen die GPL, weil sie ihnen den größtmöglichen Schutz vor dem "Mißbrauch", z.B. Einbau des Codes in nicht-freie Software eines Herstellers, bietet.
4.2.2 LGPL
Die GNU Lesser General Public Licence (LGPL), vormals als GNU Library General Public Licence bekannt, ist mit der GPL in vielerlei Hinsicht identisch. Sie wurde aber hauptsächlich für die Entwicklung von Bibliotheken entworfen, also Sammlungen von Funktionen, die andere Programme nutzen können.
Software, die Funktionen einer LGPL-Bibliothek nutzt, ist gemäß dieser Lizenz - und im Gegensatz zur GPL - kein abgeleitetes Werk und muß demzufolge auch nicht mehr frei sein. So kann also beispielsweise ein proprietäres Mathematikprogramm die arithmetischen Funktionen einer LGPL-Bibliothek nutzen. Änderungen an der Bibliothek selbst fallen aber wiederum unter die LGPL und müssen frei sein.
Durch diese fast uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten möchte die Free Software Foundation, der Erfinder der LGPL, eine schnelle, unkomplizierte Verbreitung von freien Bibliotheken sicherstellen, so daß diese den Status eines de-facto-Standards erreichen. Die bei jeder Linux-Distribution beiliegende GNU-C-Bibliothek unterliegt beispielsweise der LGPL.
1 Im Metalab Archiv, dem größten Software-Pool rund um Linux, sind ca. 50 Prozent der Software GPL-lizensiert.
Start | Inhalt | Weiter | Zurück |
Kommentare, Anregungen, Berichtigungen, Verbesserungsvorschläge oder anderes Feedback an info@dbus.de